Der Kauf

Seit 20 Jahren gehen wir mit unseren Hunden fast jeden Tag von Zuhause aus ein ansteigendes Gelände hinauf, um unsere Runde zu drehen, ohne über die Straße zu müssen. Früher war diese Fläche eine riesige Heuwiese.

Irgendwann kamen große Maschinen, haben das ganze Areal (mit Ausnahme der uralten Schlehdorn-Hecke) buchstäblich auf links gezogen und dann aufgeforstet und eingezäunt. Wir fragten den Besitzer, ob wir Törchen in den Zaun bauen dürfen, damit wir weiterhin über diesen Weg in den Wald gelangen können. Kein Problem, der Besitzer war sehr nett und hatte mit dieser Schonung auch weiter nichts vor.

Also liefen wir fast zehn Jahre durch einen ganz, ganz jungen Wald und beobachteten, wie die verschiedenen Bäume in verschiedenem Tempo wuchsen.

Durch den kuriosen  Diebstahl von hunderten Buchensetzlingen  waren Freiflächen entstanden und das ganze Areal wuchs zu einer stillen Idylle heran. Niemand ging hier außer uns und wir kannten bald jeden Baum mit Vornamen,.

Als wir uns in unserem Hausgarten immer intensiver mit Vogel- und Insektenschutz befassten, kamen wir auf die Idee, zu fragen, ob wir in der Schonung ein paar blühende Inselchen schaffen dürfen. Der Besitzer kam bei uns vorbei, erlaubte uns die Aussaat von heimischen Blühpflanzen und erwähnte so ganz nebenbei: „Ich will das hier sowieso alles verkaufen!“

Dieser Satz hat bei uns gesessen! Einerseits hatten wir wirklich Sorge, was ein eventueller Käufer mit diesem Stückchen Land tun und was für eine Art „Nachbar“ er sein würde. Andererseits spielten wir mit dem Wunschtraum, die Schonung zu kaufen. Eigentlich war das vollkommen utopisch...

Es siegte das naturliebende Herz über den kalkulierenden Verstand. Wir traten in Verhandlungen. Wald war derzeit exorbitant teuer. Es gibt tatsächlich so einen Trend, dass Privatleute sich kleine Waldstücke kaufen. Und die zahlen offenbar weit überhöhte Preise. Außerdem hatten die umliegenden Landwirte ein Vorkaufsrecht.

Wir setzten darauf, dass die Schonung ja rein forstwirtschaftlich so gut wie wertlos war: Die meisten Buchen waren gestohlen, viele waren vom eingedrungenen Wild verbissen und damit ebenfalls nicht für die Holzgewinnung geeignet. Und die Eichen werden frühestens in mehreren Jahrzehnten groß genug sein, um damit Geld zu verdienen. Und diese unsere Rechnung ging auf. Niemand sonst interessierte sich für dieses Grundstück und der Preis sank und sank.

Um es kurz zu machen: Im Juni 2018, als wir gerade in Südtirol auf einer Bergwanderung waren, klingelte das Handy und wir bekamen die endgültige Zusage, dass alles in trockenen Tüchern von allen möglichen Behörden abgesegnet und durchgewunken war. Wir waren Waldbesitzer!

Als wir aus den Ferien zurückgekehrt waren und zum ersten Mal durch unsere Schonung liefen, war das ein unfassbares Gefühl von Freude und Sinngebung.

Die Waldbank

Die erste Anschaffung für unseren Waldrand war die Waldbank! Die Bank ist für uns das Herz unseres Waldrands. Sie ist ein einladender Ruhepol, die Mitte und der Ausgangspunkt unserer Gedanken um dieses Stückchen Erde.

Dort saßen wir auch, als wir die allerersten Pläne für unser Projekt machten. Wir überlegten, verschiedene Zonen schaffen, die sich unterschiedlich entwickeln und so eine möglichst große Vielfalt an Mini-Ökosystemen bilden. Wir wollten so wenig wie möglich eingreifen und uns von verschiedenen Experten beraten lassen.

Die erste Dürre

Der Sommer 2018 war hier bei uns extrem trocken. Die übrig gebliebenen, frei in der Sonne stehenden Buchen, begannen eine nach der anderen abzusterben. Wir stellten an der gemähten Fläche um die Waldbank Tränken für das Wild auf. Eine große Wanne für Rehe und flache Schalen auf dem Boden für Kleinsäuger und Insekten. Jeden Tag füllten wir die Tränken mit der Gießkanne auf.

Aus der Dürre heraus entstand auch eine erste Art von Ökosystem in unserem Waldrand. Unsere drei Esel hatten schon im Hochsommer kein Gras mehr auf den Koppeln. Es wuchs in der Trockenheit einfach nichts mehr nach. Der Boden war vollkommen verdorrt. Dementsprechend gab es auch nirgends mehr Heu zu kaufen. In der Schonung stand noch hohes Gras, das zwar so gut wie vertrocknet, aber für die Esel eine prima Nahrung war.

Wir fingen also an, mit der Hand zu sensen - wie in alten Zeiten... Die Esel wurden - trotz Trockenheit - weiter satt und der schöne Nebeneffekt war, dass ein nicht kleiner Teil der fetten Weidegrasflächte immer magerer wurde.

So entstand das Ökosystem "Weideland", in dem zweimal im Jahr (Frühsommer und Spätsommer) für die Esel schonend gesenst wurde. Damit schufen wir offenen Boden für aussamende Pflanzen.

Wespen

Jeden Tag liefen wir also mit Schubkarre, Sense und Heunetzen in die Schonung, um Futter zu holen. Wir hofften, dass die Fläche durch das Sensen auch etwas offener für Wildsamen würde – wenn denn irgendwann mal wieder Regen fallen würde ...

Jedenfalls geschah es in diesem Spätsommer, dass Stefan mit der Sense an ein Erdwespennest geriet und natürlich von dem Scharm massiv angegriffen und auch bei seiner Flucht verfolgt wurde. An die 100 Stiche hat er davongetragen. Das Wespengift hat fast eine Woche lang besorgniserregende Symptome erzeugt. Aber zum Glück wurde alles wieder gut.

Rundwege

Um unseren kleinen Waldrand beobachten und auch zeigen zu können, hat Stefan sehr schonend mehrere Rundwege hineingemäht. Dabei entdeckten wir so interessante Dinge, wie Hopfen, der an Erlen hinaufklettert, Sumpfburgen von Maulwürfen und die blanken Knochen eines kompletten Rehs im Fichtendickicht.

Winter

Im ersten Winter als Waldrandbesitzer entwickelten wir das Konzept von min-forest und streckten unsere Fühler nach Menschen aus, die uns beraten könnten. Schon für den Beginn des neuen Jahres kündigte sich unser zuständiger Förster an, den wir um einen Besuch gebeten hatten.